CD-Review: Mistur – Attende

Wer irgendwo in einem norwegischen Fjord die Augen schließt, kann sie vielleicht noch hören. Die Stimmen einer längst vergangenen Zeit, als die Erde noch voller Mystik steckte und für Heldentum noch Platz war. Mistur möchten uns davon erzählen. Es geht auf Norwegisch um nordische Götter und sie klingen wehmütig und sehnsuchtsvoll dabei. Ein Schauspiel voller urtümlicher Magie wird inszeniert, das weit vom Wikingerkitsch anderer Pagan Metal Bands weg ist.

 

Die stark dominierende Leadgitarre wird zum Märchenerzähler. Dagegen wirkt das Growling des untergeordneten Sängers monoton, was aber nicht weiter schlimm ist. Er ist der Protagonist von damals, durch den Spiegel der Zeiten ins kaum mehr Menschliche verzerrt. Die Wikinger auf dem Cover dieses Debütalbums scheinen ebenso zum Waldufer zu gehören wie der Nebel und die Nacht. Sie sind womöglich genauso flüchtig, sie sehen uns nicht an. Diese Distanz zum Erzählten ist stets spürbar und sorgt für eine grundlegende Melancholie.

 

Das Schlagzeug generiert stets passende Hintergrundatmosphäre, begleitet im unaufgeregten Midtempo oder ergeht sich in Black Metal Blast Beats, zeigt uns Erschütterungen der Welt, die bis heute nachhallen. Das Keyboard tritt gelegentlich als zweites Melodieinstrument oder auch zur atmosphärischen Untermalung auf. Dabei setzt es immer wieder überraschende Akzente, gebietet den stürmischen Gitarren kurz zu schweigen und lädt zum verträumten Nachsinnen ein. Neu ist das alles nicht, erinnert der Stil doch stark an die norwegischen Landsleute Windir, was Fans jedoch kaum stören dürfte.

 

 

Slaget

 

Nach einem kurzen bedrohlichen Intro reiten Mistur direkt durch Berg und Fjord in die Schlacht (norwegisch Slaget). Sie sind dabei eher melancholisch als kampfeswütig, verspielte Melodien legen einen märchenhaften Schleier über die Gräueltaten aus alter Zeit. Ein verschwommenes Zwischenspiel auf dem Keyboard und schon wird das klassische Schlachtengemälde mit den selben Themen abgerundet, mit denen es begonnen hat.

 

Svartsyn

 

Erhabene Raserei wird mit flächigem Keyboardsound bis zum Pathetischen gesteigert. Schließlich überraschen Mistur mit ätherischem Frauengesang, der zum verträumt-hypnotischen Schlussteil überleitet. Eine Abfindung mit dem Unvermeidlichen, die letzte Stufe des Schwarzsehens (Svartsyn).

 

Armod

 

Die Armut (Armod) ist ein überzeitliches Problem. Ein fast tänzerisches, ruhigeres Stück,  dessen beschwingt düsteres Klavier fast an Eisregen erinnert. Die verletzliche Seite Misturs gipfelt schließlich in einem Teil mit Akkustikgitarre und cleanem Gesang.

 

Skuld

 

Eine epische Hymne zur Ehre der Norne Skuld. Beinahe kann man dieser mächtigen Frau beim Weben des Schicksals zusehen, wiegend und elegant bringt sie die Gefallenen nach Walhalla, ein Thema mit vielen Variationen.

 

Mistur

 

Große, gediegene Melodien tragen diese instrumentale Selbstfindung. Die „Unreise“ (Mistur) beginnt und endet zart, ist dafür aber umso ausufernder und reichhaltiger in der Mitte, es kommt ein wenig die Stimmung von epischen Equilibriumsongs auf.

 

Skoddefjellet

 

Geradezu pompös beginnt diese Beschreibung des Nebelbergs (Skoddefjellet). Der Titeltrack der vorangegangenen EP offenbart uns mit den inzwischen gewohnten Mitteln ein Naturschauspiel, das mal einfach anmutig, mal vom Spuk heimgesucht wirkt.

 

Attende

 

Abwechslungsreich und opulent präsentieren Mistur in diesem fast dreizehnmütigen Epos noch einmal ein dramatisches Kapitel aus alter Zeit vom Kampf König gegen König und von der Vergeblichkeit des Krieges. Und schließlich kommt mit gleißendem Licht aus Tönen die größte Tragik zum tragen. Die Mutter sitzt auf dem kalten Berg und erfährt, dass er das achzehnte (attende) Jahr nicht erreichen wird.

 

 

Fazit

 

Wer die melancholische Seite des Folk Metal schätzt und etwas anderes sucht, als die übliche Party Musik, ist hier genau richtig. Komplexe Lieder mit eigentümlicher Stimmung und viel Variation sollten jeden begeistern, der sich gern von Musik in andere Welten tragen lässt. Selbst in ihren aggressivsten Momenten klingen Mistur noch melancholisch. Ein wertvolles Stück Metal, drastisch aber in sich harmonisch. Diese Musik ist nichts zum Mitsingen und nicht übermäßig hart, aber voller großer Bilder.

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